19. X. 1939

Liebe Eltern!

Habt ihr die Karte von der Hofwiese erhalten? Könnt ihr euch vielleicht noch entsinnen wie ich euch voriges Jahr auch eine Karte von der Hofwiese schickte, das war eine Winterlandschaft. Sonntags, den 15. fuhren wir mit den Meisterleuten vom Hauptbahnhof nach Langbruck. Es war ein schöner Spaziergang, es hat uns allen gut getan, denn frische Luft waren wir gewöhnt und brauchen sie sehr notwendig. Da habe ich auch an die Spaziergänge im Bockfließer Wald, dass war immer schön, gedacht. Und wißt ihr, die Meisterleute haben den Jakob eine warme Mütze und Pullover und andere warme Sachen noch gekauft und mir kaufen sie ein blauen Hut, damit wurden wir auch Sonntags photgraphiert und wenn die bilder schön werden, schicke dir welche. Frau Wittig ist sehr nett und kümmert sich um alles, was bei anderen Lehrling nicht der Fall sein wird.

Die Weintrauben kamen sehr schön bei uns an. Sie waren auch sehr gut verpackt und ob sie geschmeckt haben, das Rätsel wird nicht so schwer sein. Herr und Frau Rößler kosteten sie auch und zuckersüß waren die Beeren. Liebe Eltern, wegen dem Heimfahren kann ich nichts festes sagen wir haben auch sehr viel Arbeit und auch wir sind Soldaten im Inneren des Landes. Denn wenn wir nicht mehr kämpfen, können die Soldaten auch nicht mehr, weil sie keine Nahrungsmittel bekommen. Jetzt weiß nie= mand wie lang der Krieg dauert. Ja, wenn man hinter die Kulissen der Diplomatie hintergucken könnte.

Jedenfalls leistet unsere Wehrmacht etwas ganz großes.

Der Bruder war jetzt verkühlt? Das glaube ich schon, jetzt bei diesen nassen Wetter sind bei uns auch einige verkühlt. Ist er auch schon größer und stärker geworden und kann den Hammer schwingen. Was sagt der Herr Meißl zum Krieg, ist er noch immer so begeistert. Und der Bockfließer, der Friedl und seine Kamaraden, haben die noch immer Kampfesgeist. Jetzt mache ich Schluß, denn die Hauptsache kommt erst.

Ich wünsche der Mutter zum Geburtstag viel Glück, daß sie noch lange lebt und ihre beiden Söhne, wenn beide schon groß und tüchtig sind, noch so betreuen kann wie sie es immer machte. Wir schicken für die liebe Mutter einige Süßigkeiten, wie ich weiß, daß du sie liebst.

Jetzt recht herzliche Grüße von Eurem Sohn Karl
Heil Hitler.

Liebe Frau Glöckler!

Auch wir schließen uns dem Glückwunsch Ihres Sohnes an. Wir wünschen Ihnen von Herzen Gesundheit und, daß uns allen ein wohl baldiger Frieden beschieden sein möge, damit sie dann Ihren Sohn Karl wieder mal bei sich haben können. Als Geburtstags freude kann ich Ihnen sagen, Ihr Karl ist genau der liebe und brave Mensch, wie Sie ihn uns hergegeben haben. Er ist uns durch seinen ehrenhaften Charakter sehr ans Herz gewachsen. Nochmals besten Dank für die schönen Zeilen
Ihre Charlotte & Horst Wittig