Im Osten, 30.5.1943

Liebe Eltern!

Dieser Brief vom 16.5. bereitete mir besonders große Freude. Dem Pepperl und der Vater fügten auch einige Zeilen bei. Dafür meinen herzlichsten Dank. Erstaunt war ich, als ich auf der nächsten Seite den Bruder seine Schrift erkannte und seine Zeilen las. Wenn er am 18.5. schon wieder von daheim fort ist, befindet er sich jetzt bereits bei seiner Einheit. Vielleicht erhalte ich in den nächsten Tagen schon ein Schreiben mit seiner neuen Anschrift. Das wär fein.

Denn schon sehr lange hatte ich mit ihm keinen Briefwechsel mehr. Allerdings wird er auch im Südabschnitt landen. Aber dieser ist fühlbar groß. Trotzdem können wir mal unerhofft zusammen treffen. Dieses Jahr werden wir noch öfters überrascht werden. Bei uns ist ein großes Rätselraten im Gange, wo es dieses mal los geht. Vorläufig ist es bei uns noch sehr ruhig. Genau wie im Mittelabschnitt. Von unseren schweren Waffen wird sehr wenig Gebrauch gemacht. Es hat den Anschein, ob überhaupt nur einige Geschütze dastehen. Dagegen macht der Russe schon mehr Betrieb. Er setzt Granat verschiedenen Kalibers uns vor die Nase. Aber uns kann er so leicht nichts anhaben. Unser Bunker hält manche schweren Sachen ab. Vergangenen Tage waren etliche Überläufer zu zählen. Sie hatten Angst, vor der kommenden deutschen Offensive. Im nächsten Tag, schon am frühen Morgen, war ein russischer Feuerüberfall nach dem anderen. Da ließen sie, die Kommissare ihre Wut aus. Wir lachten nur darüber.

Da werde ich bei meinen Urlaub auch schönes Wetter haben. Und die Kirschen werden reif sein? Darauf freue ich mich auch schon. Will Euch das Warten nicht zulange machen. Euch des nächsten Monats nehme ich mir meinem Urlaub. Vorausgesetzt es treten nicht unvorhergesehene Ereignisse ein. Glück muß man haben. Vater braucht auch eine tüchtige Hilfe.

Und nun die besten Grüße von Eurem
Sohn Karl.