Rußland, 2.7.42.

Liebe Eltern!

Hiermit bekommt Ihr von mir die erste Post aus Rußland. Am 30.6. ging es um 5 Uhr von Königsbruck ab. Wir fuhren über Cottbus und dann immer weiter ins Feindesland in Richtung Ostrawa. Vor einer halben Stunde passierten wir die Russische Grenze. Hier werden die Spuren des Krieges immer deutlicher. Neben dem endlosen Schienenstrang liegen öfters noch ausgebrannte Wagen und sonstige Teile von ehemaligen Zügen. Vernichtete Bunker, spanische Reiter und Tanksperren liegen im Gelände herum. Dann erst der Betrieb auf den größeren Bahnhöfen. Transportzug reiht sich an Transportzug. wir trafen schon italienische und ungarische Gruppen unterwegs, die auch alle an die Front wollen. Wir fuhren bis jetzt ziemlich schnell, denn in zwei Tagen erreichten wir die russische Grenze. Das ist auch eine „Fahrt ins Blaue“. Vierzig Mann sind in einen Viehwagon verfrachtet. Als Wandschmuck hingen wir Kabel, Brotbeutel, Stahlhelm und sonstiges Gerät an Nägel. Dieses Leben und Treiben könnt Ihr Euch vielleicht ungefähr vorstellen. Der Höhepunkt dieser Tragödie ist das Schlafengehen. wie die Heringe liegen wir am Boden und auf Bänken. Schlafen wir mal ein, so schmerzen uns beim erwachen sämtliche Knochen. Bei tags ist alles am Wagentor auszuhalten. So vergehen die paar Tage, wo wir unterwegs sind. Jetzt könnt Ihr nicht schreiben: Erst wenn wir Feldpostnummer haben.

Nun herzliche Grüße von Eurem
Sohn Karl.