Meine Lieben !
Heute ist mein Namenstag. Ich habe schon seit Montag auf einen Brief von euch gewartet, da keiner kam, schreibe ich eben so.
Die letzten 2 Tage habe ich im Bett verbracht. Ich bin nämlich stark verkühlt, heute bin ich den ersten Tag auf und fühle mich noch etwas „damisch“. Zuerst habe ich es nicht so ernst genommen, aber Mrs. Wilson hat mich gleich ins Bett gesteckt. Ich habe mir Ohrentropfen und Pulver und Vitamin C- Tabletten gekauft.
Das Wetter ist sehr verrückt. Ich habe euch doch geschrieben, daß wir so viel Schnee hatten und es so kalt war. Jetzt, vor ein paar Tagen, hat es plötzlich ins andere Extrem umgeschlagen. Es ist wie im Frühling, binnen 2 Tagen ist all der schöne Schnee geschmolzen. Aber vielleicht ist es besser, wenn es warm ist, wenn Liselotte kommt. Heute in einer Woche ist es ja soweit. Vielleicht hat mich dieser Wetterumsturz krank gemacht. Alle sind ganz aus dem Häuschen, weil es das seit 50 Jahren nicht mehr gegeben hat.
Samstag war ich mit dem Inder auf einer Party. Es waren lauter Inder dort, die Mädchen in Saris. Auch indisches Essen, das war irrsinnig gut, aber irrsinnig scharf ist. Alle haben mich gewarnt und ich habe jedem Bissen mit Wasser nachgespült. Wir haben auch gesungen und ich mußte ihnen ein österreichisches Volkslied vorsingen, sie waren ganz begeistert.
Heute am Abend gehe ich zu einem Theaterspiel, ich habe euch ja geschrieben, daß ich ein Plakat für die Frau, die ober uns wohnt, gemacht habe. Das war für dieses Theaterstück.
Von Irma wissen wir nichts. Mrs. Wilson Schwester hat geschrieben, daß sie vielleicht doch kommt, aber morgen ist schon der 1. Feb. und sie hat noch nichts hören lassen.
Das wäre eigentlich alles. Mir fällt immer erst ein, was ich schreiben wollte, wenn ich den Brief schon zugepickt habe. Könnt ihr euch vorstellen, daß ich schon bald 19 bin? Aber ich komme mir seit ich hier bin viel erwachsener vor. Na ja.
Alles Liebe, viele Bussi an alle,
Eure Martina