Die Briefe meines Vaters, die er als sehr junger Mann als Wehrmachtsoldat an seine Eltern schrieb, tauchten auf, als meine Schwester und ich das Haus meiner Mutter räumen mussten.
Ich versuchte sie zu lesen und kam nicht wirklich voran. Ich ließ sie transkribieren und lernte einen jungen Menschen kennen, der mir unbekannt war und nicht viel mit dem Vater gemeinsam hatte, den ich kannte. Er war so emotional und eben jung.
Was auch noch auftauchte bei der Räumung waren meine eigenen Briefe, die ich in einem ähnlichen Alter an meine Eltern schrieb. Zuerst während eines einjährigen Aufenthalts in den USA , der zu einer Heirat und Scheidung führte. Nach insgesamt 12 Jahren kehrte ich nach Österreich zurück.
Ich habe die Briefe fotografiert, weil Fotografie mein Medium ist, aber auch weil ich sie in die Hand nehmen und lesen musste und mich mit den Inhalten beschäftigen. Ich wollte meinen Vater nicht bloßstellen, deshalb habe ich auch meine eigenen Briefe verwendet. Und so kam ein Vergleich heraus: War das eine Leben schwerer, weil es verwickelt war in historische Ereignisse und das andere leichter?
Mein junges Leben war sicher und freier als das meines Vaters. Jede Generation hat ihre eigenen Probleme zu bewältigen, aber ich denke, die Dimensionen dieser Bewältigung waren für ihn doch anders. Meine Generation verurteilt gerne die Generation meines Vaters, aber nach dem Lesen seiner Briefe frage ich mich, wie ich gehandelt hätte in seiner Situation und ob mir eine Beurteilung zusteht.
Es gibt auch Ähnlichkeiten in den Briefen: das Aufrechterhalten von Normalität in schwierigen Lebenslagen, das Beschwichtigen der antizipierten Sorge der Eltern. Das Band zwischen Eltern und Kindern ist spürbar.
Heute unvorstellbar: die Form der Kommunikation, das Warten auf Antwort, das auch in meinem Fall mindestens zwei Wochen dauerte.
Ich glaube, die Fotos der Briefe sind ein Vermittlungsversuch zwischen mir und meinem Vater, aber auch zwischen diesen beiden Generationen.